Lebenslauf Hans Grade

Flugpionier Hans Grade 1879-1946

Hans Grade wurde am 17.5.1879 in Köslin/Pommern als jüngstes von vier Geschwistern geboren.

Köslin, etwa 10km von der Ostseeküste entfernt, war damals Garnisons- und Beamtenstadt, Zentrum des  Verwaltungsbezirks Köslin. Grades Vater lehrte am dortigen königlichen Lehrerbildungsseminar und führte damit die Tradition  seiner Vorfahren fort.
In der Familie gab es keinerlei technische Ambitionen und das weitere Umfeld war auch überwiegend landwirtschaftlich geprägt. Unabhängig davon entwickelte sich aber bei Hans Grade schon früh das Interesse für Technik. Mit etwa 15 Jahren baute er sein erstes Flugmodell, das er vom Dach des väterlichen Hauses starten ließ. Es landete auch gleich in einer Fensterscheibe. Sein Vater war von diesen technischen Spielereien nicht begeistert. Er hoffte, daß Hans dem Vorbild seines Bruders folgen würde, der nach dem Abitur eine militärische Laufbahn einschlug. Eine Beamtenkarriere oder Lehrtätigkeit schwebte ihm vor. Aber die Neigungen des Sohnes gingen in eine andere Richtung. Während seiner Zeit auf dem Gymnasium beschäftigte er sich mit verschiedenen techn. Basteleien. Allerdings nur außerhalb der Schulzeit, denn vom Gymnasium kamen keine techn. Anregungen. Mit großem Interesse verfolgte er in den Zeitungen die Flugversuche von Otto Lilienthal. Im Zahnarzt der Familie lernt Hans durch Zufall einen begeisterten Flugmodellbauer kennen. Er hat jetzt öfter Zahnweh und die beiden verbringen viel Zeit in der Modellbauwerkstatt des Arztes. Bei ihm lernte er auch das Buch von Otto Lilienthal „Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst“ kennen und machte sich mit den Grundprinzipien des Fliegens vertraut. Einen ersten Denkanstoß in Richtung Motorenbau bekam Grade in jungen Jahren 1898 auf der Kösliner Gewerbeausstellung. Vater Grade hatte sich inzwischen mit dem Berufswunsch seines Sohnes, Ingenieur zu werden, abgefunden und ihm eine Praktikantenstelle, nach bestandenem Abitur ,in einer Maschinenbaufabrik in Grevenbroich, in Aussicht gestellt. Im Oktober 1899 tritt er die Stelle an. Hier werden unter anderem Dampfmaschinen bis zu 6000PS gebaut. Grade durchläuft alle Praktika die man für ein Maschinenbaustudium benötigt z.B. Holzmodellbau, Gießerei, Schmiede, Dreherei, Schlosserei, Montage. Hier beginnen auch seine ersten Versuche einen 2-Takt-Verbrennungsmotor zu konstruieren und zu bauen. Im Herbst 1900 beginnt er sein Studium an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, heute Technische Universität Berlin-Charlottenburg. Hier hatte auch schon Otto Lilienthal studiert, als die Hochschule noch Königliche Gewerbeakademie war. Während des Studiums  arbeitet er in der Freizeit an seinem 2Takt-Motorenprojekt weiter und meldet seine ersten Patente an. Das studentische Leben in den Verbindungen interessiert ihn nicht. Als der Motor läuft, baut er ihn in einen Fahrradrahmen ein und knattert durch Berlin ,was auch sofort Ärger mit der Polizei gibt.
Noch während des Studiums wird ein Industrieller auf sein Motorzweirad aufmerksam und ermöglicht ihm die Teilnahme an der Automobil-Ausstellung 1903 in Berlin.
Nach dem Studium kehrt Grade für kurze Zeit in seine Heimatstadt Köslin zurück, wo ihm sein Förderer, mit 25 Jahren, die Leitung einer kleinen Motorenwerkstatt überträgt. Aber bald stößt die Werkstatt an ihre Kapazitätsgrenzen. Schon im September 1905 werden die Grade-Motorenwerke – GmbH in Magdeburg gegründet. Grade bringt seine zahlreichen Patente in die Gesellschaft mit ein, das Finanzielle regelt sein Gönner, der Unternehmer Oswald Hentschel. Es werden hauptsächlich stationäre 2-Takt-Motoren nach Grades Patenten gebaut, aber auch seine kleinen Motorradmotoren werden weiterentwickelt. Sie sind bei Motorradrennen, an denen Hans Grade auch selbst teilnimmt, den üblichen 4-Takt-Motoren weit überlegen. Im Zusammenhang mit den Motorradrennen lernt er auch seine spätere Frau Käthe Grothum, die Tochter des Rennbahnbesitzers, kennen.
Nach den Erfolgen mit kleinen Motorradmotoren wagt er sich an den Bau eines leichten Mehrzylinder-2-Takt-Motors, die Voraussetzung für die Verwirklichung seiner Flugzeugpläne.
Aber jetzt muß er erst einmal seinen Militärdienst ableisten . Als Ingenieur kann er dies als Einjährig-Freiwilliger beim Magdeburger-Pionierbataillon Nr.4.Sein Kompaniechef, interessiert an Grades Flugzeugplänen, unterstützte ihn nach Kräften. Er stellte ihm einen Werkstattschuppen auf dem Truppenübungsgelände zur Verfügung und auch Soldaten als Helfer.
Am 2.November1908 gelingt ihm mit seinem Dreidecker ein erster „Sprung“ von ca. 50m auf dem Cracauer Anger in Magdeburg. Der Tag endet aber mit einer Bruchlandung da eine Frau in die Flugbahn lief, die ersten Flüge fanden nur 1-2m über der Erde statt. Nach Reparatur und einigen Veränderungen am Flugapparat, schafft Grade am 21.12.1908 Flüge von 100-400m und bleibt bis zu 40 sec in der Luft.
Doch er ist mit den Leistungen des Dreideckers nicht zufrieden. In nur zweieinhalb Monaten baut er seinen leichten Eindecker mit einem 4-Zylinder-2-Takt-Motor.Der Cracauer Anger ist aber jetzt für größere Flüge zu klein.
Ein geeignetes Gelände wird in der Nähe von Berlin, in Bork, heute Borkheide, gefunden. Im August 1909 siedelt Hans Grade mit seiner Werkstatt nach Bork über, um sich au den „Lanz-Preis der Lüfte“ vorzubereiten.
Der Unternehmer Dr. Karl Lanz hatte im April 1908 einen Preis von 40.000 Goldmark ausgesetzt. Bedingung war: Ein Fluggerät, schwerer als Luft, muß zwei 1000m voneinander entfernte Marken, in einer liegenden Acht umfliegen und zum Startplatz zurückkehren. Das Fluggerät muß von einem Deutschen konstruiert und auch geflogen werden. Alle Teile müssen in Deutschland gefertigt sein.
Am 30.Oktober 1909 erfüllt Grade die Bedingungen des „Lanz – Preis“ auf dem Flugfeld Berlin – JohannisthalAdlershof  und kann aus den Händen des Stifters Dr. Karl Lanz den Scheck über 40.000 Mark entgegennehmen.

Damit war das Zeitalter des deutschen Motorfluges eingeleitet.

Mit dem Geld baute Hans Grade in Borkheide eine kleine Flugzeugfabrik und eine Flugschule auf.
Im Februar 1910 vergab der Deutsche Luftschifferverband die ersten Pilotenzeugnisse. August Euler erhielt, nach Ablegung einer Prüfung den Schein mit der Nummer 1. Noch am gleichen Tag, wurde Hans Grade der Schein mit der Nummer 2 ausgehändigt , ohne Prüfung, der Flug für den „Lanz Preis“ genügte als Nachweis seiner Fähigkeiten.
In den folgenden Jahren nimmt Hans Grade mit seinem Eindecker an unzähligen Flugveranstaltungen im In- und Ausland teil, die ihn sogar bis Ägypten führten.
In Borkheide ist reger Flugbetrieb. Auf dem Eindecker findet die Ausbildung der Flugschüler statt. An den Wochenenden werden zahlende Fluggäste auf einer etwas veränderten Maschine mitgenommen. Am 18.Februar 1912 veranstaltete man den ersten “Luftpostflug von Bork nach Brück“, was sehr werbewirksam war.
Aber der Flugzeugbau war nicht von langer Dauer.1912 hatte die Mitarbeiterzahl mit 47 ihren Höhepunkt erreicht. Bis Ende 1913 waren insgesamt etwa 70 Flugzeuge gebaut und ins In-
und Ausland verkauft. Da Grade aber an seiner bewährten Konstruktion, bis auf kleine Veränderungen, eisern festhielt, kamen keine Militäraufträge zu stande die Geld gebracht hätten. So sank die Mitarbeiterzahl bis Kriegsbeginn 1914 auf 15.
Während des Krieges wurden Kampfflugzeuge anderer Fabrikate repariert und nach dem Krieg war es auf Grund des Versailler Vertrages mit der Motorfliegerei erst einmal für Jahre vorbei.
Auf den Erfahrungen im Leichtbau und im Motorenbau aufbauend, entwickelte er nach dem Krieg einen Kleinwagen mit luftgekühltem 2-Takt-Motor. Auf Grund der vielen Innovationen verkaufte er sich in den ersten Jahren auch gut. Viele der patentierten Ideen wurden auch von anderen Firmen übernommen und brachten etwas Geld.
Auf Dauer konnte aber der kleine Betrieb mit den großen Automobilfirmen nicht mithalten und musste Konkurs anmelden. Es kamen schwere Zeiten in denen sich Grade mit Entwicklungs- und Konstruktionsarbeiten für andere Firmen über Wasser hielt.

Anfang der 30iger Jahre, die Flugbegeisterung wird staatlich gefördert, ist Grade wieder ein gefragter Mann. Er nimmt auf seiner alten „Libelle“ die Schauflugtätigkeit wieder auf. 1937 wird in Borkheide ein Film über den „Lanz – Preis der Lüfte“ gedreht, in dem Hans Grade sich selbst spielt.1938 wurde er in Magdeburg, wo er seine Fliegerlaufbahn begann zum 30igsten Jahrestag mit dem „Hans Grade Erinnerungsflug“ geehrt. Im Sommer 1939 fliegt Grade ein letztes Mal auf einem Flugtag in Tempelhof. Dann bricht der 2.Weltkrieg aus.

Nach 1945 wird Grade enteignet. Not und Elend wie überall. Hans Grade stirbt am 22.Oktober 1946. Er liegt in Borkheide begraben. Seine Verdienste um die Fliegerei in Deutschland sind unbestritten, man kann ihn den Vorkämpfer des Ultraleichtflugzeugbaus nennen. 1980 ließ die Gemeinde Borkheide, zur Erinnerung an Hans Grade, auf dem Bahnhofsvorplatz ein Denkmal aufstellen, das die Bildhauerin Petra Paschke entworfen hat. Auf dem ehemaligen Fluggelände ist in einer ausgedienten IL 18,einer 4-motorige Turbopropmaschine, ein kleines Museum eingerichtet. Die IL 18 ist das größte je in Borkheide gelandete Flugzeug.

Wer sich näher mit dem Leben und Schaffen Hans Grades befassen will, dem sei das Buch von Karl – Dieter Seifert „Hans Grade Ingenieur-Flugpionier-Automobilbauer“ Ost-Nordost-Verlag Magdeburg 1.Auflage 1908   ISBN 978-3-938247-98-3 empfohlen.     

Veröffentlicht in Über FMC Hans Grade.